STREITGESPRÄCH



"Brüllen, kratzen und schlagen"

Ändert sich Deutschlands Rechtskultur? TV-Jurist Alexander Hold und
Richterbund-Chef Geert Mackenroth über die Folgen der Gerichtsshows

FOCUS: Herr Mackenroth, sitzen Sie einem Richterkollegen gegenüber oder einem Schauspieler?
Mackenroth: Einem Kollegen - kein Zweifel. Aber er macht sinen Job, ich meinen. Das sind zwei verschiedene Disziplinen.
FOCUS: Was tun Sie, Herr Hold, um sich im Studiogericht nicht ganz in einen Schauspieler zu verwandeln?
Hold: Ich versuche einfach, in den

und greifen nicht ein - in einem echten Gericht achtet der Richter auf halbwegs geordnete Verhältnisse.
Hold: auch bei mir gibt es feste Grenzen. Bei Beleidigungen verhänge ich ein Ordnungsgeld.
Mackenroth: Da gibt es zugegebenermaßen kleine Unterschiede zwischen den Gerichtsshows. MancheTelekollegen wie die RTL-Jugendrichterin Ruth Herz wirken schon etwas hilflos.

Aber Krawall und und Klamauk gehören offenbar zum Format.
FOCUS: Was ist daran so schlimm? Die Sender verstehen die Gerichtsshows als Unterhaltung...
Mackenroth: ... uns liegt aber an ungeschminkter Gerichtsberichtertstattung. Die TV-Fälle sind unrealistisch mit ihren verblüffenden Wendungen, als gäbe es keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, als würde die Wahrheit

"Wir recherieren echt Fälle, die so skurril sind, dass wir sagen: Das können wir nicht zeigen, das nimmt uns niemand ab."

Alexander Hold

SAT.1-Gerichtsverfahren so zu sein wie im Gerichtssaal der Justiz.
FOCUS: Da haben Sie aber kein Drehbuch vorliegen...
Hold: Meine Drehbücher lassen mir sehr viel Freiheit, geben nur einen roten Faden vor - eher für die Laiendarsteller als für mich...
Mackenroth: ... und die Laiendarsteller brüllen, kratzen und schlagen, verhalten sich extremer, als sich das Angeklagte oder Zeugen vor Gericht je trauen würden. Reines Theater.
Hold: Natürlich geht es bei uns häufig emotionaler zu als in der Realität, aber es gibt solche Fälle genauso im Justizalltag!
Mackenroth: Vielleicht drei in einem ganzen Richterleben, der Rest benimmt sich anständig.
Hold: Sagen wir: drei in einem Monat. In den Fernsehkrimis geht es auch nicht um Beleidigung oder Verkehrsunfälle. Würden wir den Justizalltag eins zu eins abbilden, hätten wir spätestens am zweiten Sendetag ein Zuschauerpotenzial wie im durchschnittlichen Amtsgericht. Ich habe aber den Anspruch, dass wir Fälle realitätsnah zeigen.
Mackenroth: Aber Sie lassen die Leute doch im Gerichtssaal pöbeln

ALEXANDER HOLD

Der 41 jährige ist der Quotenkönig unter den TV- Richtern

  • Der gebürtige Kemptener studierte in München Jura, Politik und Philosophie. Als Straf- und Zivilrichter arbeitete er u.a. in Kempten und Sonthofen.

  • Seit anderthalb Jahren spielt der smarte Jurist werktags jeden Nachmittag bei Sat1 sich selbst: "Richter Alexander Hold"

  • Jede Woche bekommt der begeisterte Bergsteiger etliche Heiratsanträge. Die sind allerdings vergeblich, denn der Mann mit der angenehmen Stimme ist bereits verheiratet.

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