Wenn der Verteidiger zum Staatsanwalt wird
Münchner Anwälte bei TV-Gerichtsshow

mm, 04.01.2006

VON ANGELA WALSER Unterföhring - Fünf Gerichtsprozesse an einem Tag, Sitzungsstress von zehn Uhr früh bis tief in die Nacht: Für vier Münchner Rechtsanwälte ist das ganz normaler Alltag, allerdings nicht im Strafjustiz-Zentrum der Landeshauptstadt, sondern in den Fernsehstudios von Unterföhring (Kreis München). Ricarda Lang (36), Sewarion Kirkitadse (50), Stephan Lucas (33) und Christian Vorländer(32) spielen bei der täglichen SAT.1-Gerichtsshow "Richter Alexander Hold" mit. Bis zu viermal im Monat stehen die Juristen vor der Kamera - und es macht ihnen viel Spaß.

"Man kann seine Rolle so richtig ausleben", schwärmt Lucas, der wie sein Kollege Kirkitadse in der Serie den Staatsanwalt mimt. Christian Vorländer, der mit Ricarda Lang als Strafverteidiger auftritt, betrachtet es als Hobby: "So wie andere halt zum Surfen gehen", sagt er.

Lang und Lucas, die von der ersten Sendung am 12. November 2001 an dabei waren, verstanden sich juristisch so gut, dass sie mit Jahresbeginn eine eigene Kanzlei eröffneten. Dort werden sie aber alles andere tun, als gemeinsam Drehbücher studieren. Im harten Verteidiger-Alltag geht jeder seinen Weg. Ende des Jahres werden sie wieder gemeinsam in einem Terror-Prozess vor dem Oberlandesgericht München verteidigen.

Drehbücher gelten bei der Gerichtsshow nur als Leitfäden. "Dort steht, was wir sagen sollen", erklärt Ricarda Lang, "aber weil wir keine Schauspieler sind, ist das nicht unsere Sprache. Wir sind frei in der Formulierung, nur der Sinn muss stimmen."

Die Texte werden stets von zwei Juristen überprüft. Für eben diesen Job hatte sich Ricarda Lang im Sommer 2001 bei SAT.1 ursprünglich beworben. "Kein Interesse", lautete die Antwort des Senders, "aber kommen sie mal zum Casting." Unbeschwert und sich keine Chancen ausrechnend, fuhr die Juristin nach Unterföhring, hielt ein kurzes, knackiges Plädoyer und wurde genommen. Den Kollegen erging es ähnlich.

In Juristenkreisen wird das TV-Engagement wohlwollend zur Kenntnis genommen. "Wenn es Ihnen Spaß macht", kommentiert der renommierte Münchner Rechtsanwalt Eckhart Müller die Auftritte. Dem Ansehen der Anwälte würde der Einsatz vor der Kamera sicher nicht schaden, glaubt Müller, der früher selber beim Verkehrsgericht mitwirkte. Ihm ist es bloß wichtig, dass die Realität in knapp 30 Minuten Sendezeit nicht aus den Augen verloren geht.

Fernseh-Engagement ist finanziell lukrativ

Die Fernseh-Kollegen bestätigen, dass sie um Authentizität bemüht sind, wenngleich sie zugeben, dass in den TV-Prozessen wesentlich mehr Überraschungszeugen auftreten, als in einer echten Verhandlung. "Dafür sind es ja auch Gerichtsshows", erklärt Ricarda Lang.

Mehr Klienten glaubt sie durch den finanziell lukrativen TV-Einsatz nicht gewonnen zu haben. Allerdings würden sich die Mandanten stets freuen, wenn sie ihre Verteidigerin im Fernsehen entdeckt hätten. Zu Verwechselungen mit seiner Rolle als TV-Staatsanwalt ist es laut Stephan Lucas bislang nicht gekommen: "Die Mandanten können das unterscheiden." Nur in einem Fall, so erinnert sich Sewarion Kirkitadse, habe ihn ein Mandant verwechselt. Der Russe habe erschrocken den Raum verlassen. Er wollte nicht mit einem Staatsanwalt sprechen.

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