"Mittwoch, 06.06.07 "

Der Fall:
Das Möchtegern-Model Melissa und ihr Freund Rainer sollen Nacktfotos des Modelagenten Gunnar geschossen und ihn damit öffentlich lächerlich gemacht haben.

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Melissa war der Meinung, daß sie das geborene Model war. Sie glaubte ganz fest, daß es ihr Schicksal war zwischen Kate Moss und Gisele Bündchen auf dem Catwalk zu marschieren und Gucci und Prada zu präsentieren. Leider stand sie da mit ihrer Meinung so ziemlich auf verlorenen Posten und so mußte sie einen ganz nüchternen Beruf als Verlagskauffrau nachgehen, und das war überhaupt kein bißchen glamourös, fand sie. Von wegen Gucci und Prada. Melissa grollte ihrem Schicksal gewaltig, daß sie ins Büro verschlagen hatte, wo sie niemals im Rampenlicht stand. Bestätigte ihr Freund Rainer nicht immer wie außerordentlich hübsch sie war? Irgendwann würde sie von einen Modelagenten entdeckt werden, daran glaubte sie ganz fest. Schließlich hatten auch Heidi Klum oder Naomi Campbell mal ganz klein anfangen müssen. Früher oder später würde sich ihr Traum erfüllen. Ganz bestimmt.

Ihr Freund Rainer nervte dieser Modeltraum eigentlich gewaltig. Aber er liebte seine Freundin und die war doch so überzeugt von ihren Traum, den sie niemals aufgeben würde. Seine größte Angst war, daß seine Freundin an ein schwarzes Schaf geraten würde, der sie ins Bett zerrte und womöglich alles noch filmte und das vielleicht auch noch im Internet zeigen würde. Er akzeptierte, daß sie ewig auf die Figur achtete und von einer Agentur zur anderen rannte und daß ihre Gespräche sich häufig um dieses eine Thema drehten. Träume hatte doch wohl jeder und warum sollte sie nicht versuchen, sie wahr werden zu lassen. Melissa war schließlich sehr hübsch und hatte die richtige Figur. Leider waren die Antworten niederschmetternd, als Model war Melissa einfach zu klein. Er konnte nur hoffen, daß sie diese Idee doch irgendwann aufgab, aber so bald sollte das nicht passieren. Melissa war an einen Modelagenten geraten, der ihr eine große Karriere in Aussicht stellte. Sie sollte "bloß" ihre Beine durch eine Operation um zehn Zentimeter verlängern. Das war Musik in ihren Ohren. Melissa schwärmte in den höchsten Tönen von ihren neuen Modelagenten Gunnar, der sie garantiert zum Topmodel machen würde. Endlich würden sich ihre Träume erfüllen.

Als Melissa Rainer mit dem Vorschlag kam, sich die Beine um zehn Zentimeter verlängern zu lassen, starrte er sie im ersten Moment wie vom Donner gerührt an. Das konnte doch wohl nur ein Witz sein. Er hoffte Melissa würde gleich lachen und "Reingelegt" sagen, dann würden sie beide lachen. Aber Melissa lachte nicht, sie meinte es todernst. Rainer beschloß auf jeden Fall Melissa bei ihren Arzttermin zu begleiten, er wollte sich das alles ganz genau anhören. Auf gar keinen Fall würde er zulassen, daß an Melissa irgendein Scharlatan herumpfuschte. Aber beim Termin schien alles in Ordnung und anscheinend war das eine Operation, die häufiger gemacht wurde, so unglaublich daß in seinen Ohren auch klang. Ihm wurde trotzdem schlecht, als ihm die Operation erklärt wurde. Das klang ihm alles zu sehr nach Frankenstein. Der Knochen wurde durchtrennt, ein Motor eingesetzt, der das Bein jeden Tag einen Millimeter strecken sollte. Ehrlich gesagt, stellte er sich das genauso amüsant wie einen Verkehrsunfall vor. War Melissa sich klar, was auf sie zukommen würde? War er eigentlich der einzige hier im Raum, der bei dem Thema "mögliche Komplikationen" zugehört hatte? Aber Melissa saß mit verklärten Gesicht neben ihn und da wußte er, daß sie sich schon Seite an Seite mit Heidi Klum sah. Nein, diese Schnapsidee würde sie sich nicht aus den Kopf schlagen lassen. Also blieb gar nichts anderes übrig als "Augen zu und durch".

Aber bald in der Zeit nach der Operation mußte sich Melissa eingestehen, daß sie keine Ahnung gehabt hatte, was diese Operation wirklich für sie bedeuten würde. Was für sie selbstverständlich gewesen war, bereitete ihr jetzt unglaubliche Schmerzen. Jeder Schritt tat weh. War es das wirklich wert gewesen? Aber Gunnar hatte ihr versprochen, daß sie mit längeren Beinen ganz bestimmt einen Modelvertrag bekommen würde. Bald würde sie reich und berühmt sein und die ganzen Schmerzen würden vergessen sein. Ihr Gesicht würde auf sämtlichen Covers zu sehen sein und jeder würde ihren Namen kennen. Gunnar hatte ihr doch eine große Zukunft versprochen und der musste das jawohl wissen. Aber die Beine heilten nicht so, wie sie es sollten und Melissa bekam es mit der Angst zu tun, als der Arzt ihr mitteilte, daß Komplikationen aufgetreten waren. Die Beine waren zu schnell gestreckt worden und eine zweite Operation würde notwendig sein. Rainer starrte auf Melissas hübschen Beine, die man unter dem gräßlichen Gestell und den Verbänden gar nicht mehr sehen konnte. Dieser Gunnar konnte doch nicht mehr alle Latten am Zaun haben seiner Freundin diesen Floh ins Ohr zu setzen.

Das eine zweite Operation notwendig sein würde, war schon schlimm. Aber was noch viel schlimmer war, daß der liebe Gunnar sich aufeinmal gar nicht mehr daran erinnern konnte, daß er der Melissa eine große Karriere versprochen hatte, wenn sie erstmal diese Beinverlängerung machen hätte lassen. Nein, er hätte es ihr nahegelegt, natürlich vollkommen unverbindlich und eine feste Vereinbarung hatte es nie gegeben. Das reichte schon um Melissa vollkommen zu ernüchtern. Dazu kam auch noch das Gunnar auch überhaupt nicht so ein bekannter Modelagent war. Sein einziger Erfolg war Ariane, seine Freundin, die gelegentlich bei Supermarkteröffnungen oder mit Käsehappen im Arm zusammen lächeln durfte. Das ganze Elend war umsonst gewesen. Melissa erzählte Rainer alles unter Tränen, sie beichtete ihm auch etwas, was sie eigentlich lieber verschwiegen hätte. Der liebe Gunnar war so begeistert von ihr gewesen und ihren Potenzial, daß er gleich mit ihr ins Bett gegangen war. Rainer war natürlich alles andere als glücklich darüber, aber Gunnar hatte doch wohl die Hauptschuld. Melissa erging es kein bißchen anders. Irgendwie mußten sie es ihm heimzahlen.

Vielleicht hätte sich Gunnar doch ein anderes Fitness-Studio suchen sollen, als ausgerechnet das wo Melissas Freund arbeitete. Aber er hatte ein Gemüt wie ein Fleischerhund und ignorierte Rainers bösen Blicke. Er hätte auch garantiert schnellstens das Weite gesucht, wenn er gewußt hätte, was ihn dort passieren sollte. Aber Gunnar wußte es nicht und Melissa und Rainer hatten bestimmt nicht vor ihn in ihre Pläne einzuweihen. Also ging Gunnar seelenruhig unter die Dusche. Er fischte sich die Kontaktlinsen heraus und shampoonierte sich die Haare. Plötzlich packte ihn jemand und dieser Jemand war bärenstark. Gunnar konnte sich nicht mehr bewegen.Das sollte nicht sein einziger Kummer bleiben. "Halt ihn ja gut fest, daß ich auch Fotos machen kann" konnte er Melissa sagen hören. Dann sprühte sie Eisspray auf eine Stelle, die auch die härtesten Männer zum Weinen gebracht hätte. Gunnars Kreischen ging durch Mark und Bein, er war felsenfest überzeugt, daß sein bestes Stück ganz bestimmt jede Sekunde abfallen würde. Rainer sah interessiert zu wie das immer kleiner wurde. Hoffentlich wurden die Fotos auch gut.

Ariane saß nichtsahnend von Gunnars Elend im Wagen und wartete ungeduldig. Wo blieb Gunnar nur? Männer konnten einen schon in den Wahnsinn treiben. Männer sollten doch wohl auf Frauen warten und nicht umgekehrt. Außerdem mußte sie ganz dringend auf Toilette. Dann würde sie Gunnar eben im Studio abholen, hoffentlich baggerte er dort nicht gleich die nächste dumme Gans an. Diese Melissa war zum Totlachen gewesen. Als ob sie jemals so erfolgreich werden würde wie Ariane. Das das Präsentieren von Käsestücken und Eröffnen von Supermärkten auch nicht gerade automatisch eine Weltkarriere bedeutete, verdrängte sie erfolgreich. Aber oben im Studio war abgeschlossen. Was sollte das denn nun wieder? Ariane kehrte ins Auto zurück und rief ihre Freundin an. Sie konnte zu diesen Zeitpunkt noch nicht ahnen, daß dieser Tag in der Notaufnahme enden würde, da gewisse Teile von Gunnar unter einen Kälteschaden litten.

Am zehnten März fuhr Gunnar zur Arbeit und seit diesem dritten März war er äußerst übel gelaunt. Nach dem Überfall hatte er unter der Dusche gelegen und sich beide Lungenflügel aus dem Hals geschrien vor Schmerz. Rainer hatte doch echt den Nerv gehabt ihm zur Hilfe zu eilen und total geschockt zu tun. Rainer konnte auch nicht der Polizei erklären, warum in seinen Spind klitschnasse Kleidersachen hingen. Verarschen konnte er sich selbst, da mußten Melissa und Rainer einen dümmeren suchen. Er hatte immer noch Schmerzen und die würden ihn auch noch eine ganze Weile erhalten bleiben. Aber dann sah Gunnar etwas, was seine Laune endgültig verderben sollte. Er konnte ein Foto von sich sehen. Es war ein sehr großes Foto und nicht etwa nur irgendeins. Auf diesen Foto war er splitterfasernackt, sein bester Freund traurig eingeschrumpft und dort stand in großer Schrift "Wäre meiner zehn Zentimeter größer, hätte ich auch Erfolg bei Frauen." Außerdem sollte er erfahren, daß diese Fotos gleich 30 mal in der Stadt verteilt waren. Es gab wohl kaum jemand, der sich in dieser Minute nicht krank über ihn lachte. Mit diesen Foto würde er bestimmt groß rauskommen, aber wer wollte das schon auf diese Weise?


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