| "Samstag, 27.01.07"
 Der Fall:Udo soll die dicke Walery über Monate gequält und vom
                                    Dach gestoßen haben. Er behauptet, daß Walery das Gleichgewicht
                                    verloren hat, als sie das Plakat abhängen wollte, auf den
                                    sie selbst in Unterwäsche zu sehen ist. Hat Udo die Mobbingattacken
                                    übertrieben und ist zum Mörder geworden?
 
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 Walery hatte Polen nicht freiwillig verlassen. Aber ihre
                                    Mutter hatte keine Zukunft mehr in ihrer Heimat gesehen
                                    und wollte ein neues Leben in Deutschland beginnen und
                                    Walery konnte sich ein Leben ohne ihre Mutter einfach nicht
                                    vorstellen. Natürlich war es auch für ihre Mutter Dominika
                                    nicht leicht. Aber schließlich waren ihre Eltern und ihre
                                    Großeltern Deutsche gewesen und war damit Deutschland nicht
                                    auch eine Heimat für sie beide? Es wird alles gut werden,
                                    versuchte sie sich und ihre Tochter zu beruhigen, auch
                                    wenn ihr dabei eher zum Heulen zu Mute war. Und warum sollte
                                    es nicht auch so sein. Ihre Tochter war einer der nettesten
                                    und freundlichsten Menschen, die man sich vorstellen konnte
                                    und sie hatte einen riesigen Freundeskreis. Warum in aller
                                    Welt sollte es in Deutschland anders sein?
 
 Angekommen in München sollte es auch gar nicht schlecht
                                    anfangen. Walery fand eine Ausbildungsstelle zur Köchin,
                                    wenn das nicht ein gutes Zeichen für ihr neues Leben war,
                                    fand ihre Mutter. Aber ausgerechnet am ersten Tag ihrer
                                    neuen Ausbildung sollte sich Walery verschlafen und um
                                    nichts in der Welt wollte sie an ihren ersten Tag zu spät
                                    kommen. Das würde ja toll aussehen. Walery, die wild entschlossen
                                    war pünktlich zu sein, rannte los und blickte nicht nach
                                    links, rechts oder vorn. So blind für ihre Umwelt rannte
                                    sie gegen ein Motorrad und mit großen Getöse gingen sie
                                    und das Motorrad zu Boden. Weder sie noch das Motorrad
                                    hatten einen größeren Schaden erlitten und es hätte wohl
                                    auch gereicht falls der Besitzer Udo es mit einen "Pass
                                    halt besser auf" belassen hätte. Aber der machte einen
                                    Heidenaufstand, als sei gerade ein Attentat auf ihn verübt
                                    worden und Walery wurde mit derart häßlichen Ausdrücken
                                    überschüttet, wie noch nie im Leben zuvor. Sowas war sie
                                    nicht gewöhnt. Das Schlimmste dabei war, daß Udo in der
                                    gleichen Ausbildungsstelle wie sie arbeitete und das Umwerfen
                                    seines heißgeliebten Motorrades förmlich als Kriegserklärung
                                    verstand. Walery verstand die Welt nicht mehr, warum drehte
                                    dieser Udo denn gleich durch. Hoffentlich regte der sich
                                    bald ab. Aber das war erst der Anfang.
 
 Udo war nicht einer der fleißigsten Mitarbeiter, aber wenn
                                    es darum ging Walery zu mobben, zu beschimpfen und andere
                                    Leute gegen sie aufzuhetzen, da kannte seine Ausdauer und
                                    sein Einfallsreichtum keine Grenzen. Walery war nirgendwo
                                    vor seinen Attacken sicher. Er zwang sie den Müll mit den
                                    Händen aufzuheben, als sie einmal eine Fischsuppe abschmecken
                                    wollte, tunkte er sie tief mit Kopf in die Suppe und alle
                                    lachten sich halbtot, als sie nach Luft schnappend und
                                    würgend wieder auftauchte. Er schreckte auch nicht davor
                                    zurück ihre Speisen zu versalzen, um sie vor der Chefin
                                    schlecht darstehen zu lassen. Walery wehrte sich nie. Es
                                    hätte auch keinen Zweck gehabt sich bei der Chefin zu beschweren.
                                    Pia Bratapfel war nämlich nicht nur die Chefin von Udo,
                                    sondern die beiden hatten auch ein Verhältnis. Und Pia
                                    war viel zu sehr begeistert von Udos Leistungen in anderen
                                    Bereichen, außerhalb der Küche, um Udo wegen Walery die
                                    Leviten zu lesen. Walery dachte an ihre Freunde zu Hause
                                    und fühlte sich einsam wie noch nie zuvor in ihren Leben.
 
 Marius Kostakis sah mit gemischten Gefühlen dabei zu wie
                                    Udo Walery das Leben zur Hölle machte. Wenn er ganz ehrlich
                                    zu sich selbst war, dann war er fast schon erleichtet das
                                    Udo jetzt Walery zum Fertigmachen hatte. Denn zuvor hatte
                                    Udo ihm das Leben schwergemacht. Seinen Kopf hatte Udo
                                    auch unter dem gröhlenden Gelächter von den andern in die
                                    Fischsuppe getaucht, so neu war diese Idee auch wieder
                                    nicht. Wenn er Walery sah, wie sie jeden Tag ein Stückchen
                                    unglücklicher und einsamer aussah, dann hätte er ihr schon
                                    gerne geholfen und ihr wenigstens etwas nettes gesagt.
                                    Aber dann hätte die Quälerei vielleicht wieder von vorne
                                    begonnen und dafür hatte er einfach keinen Nerv mehr. Also
                                    sah er tatenlos zu, wie Walery jeden Tag aufs neue schikaniert
                                    wurde. Ganz unerwartete Schützenhilfe bekam Walery ausgerechnet
                                    von Silke, Udos Freundin. Eines Tages kam sie hinzu, wie
                                    Udo Walery zwang vor der versammelten Mannschaft auf die
                                    Waage zu steigen um dann lauthals ihr Gewicht zu verkünden.
                                    Walery war halt nicht die dünnste, na und was hatte die
                                    anderen denn das anzugehen? Silke übernahm das, was Pia
                                    Bratapfel schon längst mit Udo hätte machen sollen. Sie
                                    sagte ihm ordentlich die Meinung, das ihm die Ohren rot
                                    anliefen und drohte ihm, sie würde auf der Stelle Schluß
                                    machen, wenn er nicht sofort aufhören würde, Walery zu
                                    quälen.
 
 Das seine Freundin derart ausrasten würde, damit hatte
                                    Udo nicht gerechnet. Asozial hatte sie ihn unter anderen
                                    genannt und Schluß hatte sie sogar machen wollen. Das machte
                                    ihn doppelt so wütend auf Walery, die ihm doch nie in ihren
                                    Leben etwas getan hatte. Die Küchenhilfe Marius hatte ihm
                                    auch nie etwas getan. Nach außen hin mußte er Walery ja
                                    jetzt in Ruhe lassen, aber heimlich kassierte er Schutzgeld
                                    von ihr. Walery zahlte solange sie konnte, aber irgendwann
                                    ging es nicht mehr. Dann geschah etwas, was sie sich in
                                    ihren schlimmsten Alpträumen nicht hätte vorstellen können.
                                    Als sie eines Tages zur Arbeit kam, lauerte ihr Udo mit
                                    einen Messer auf, zwang sie sich auszuziehen, stopfte ihr
                                    Petersilie in den BH und fesselte sie. Schließlich pappte
                                    er ein Schild drauf auf dem man lesen konnte "Polnischer
                                    Speckbraten im Angebot". So fotografierte er sie.
                                    Walery bemühte sich aus Leibeskräften nicht zu heulen,
                                    denn das hätte Udo garantiert noch glücklicher gemacht.
                                    Trotzdem konnte sie nicht verhindern, daß ihr die Tränen
                                    in die Augen stiegen. Von nun an konnte es doch nicht mehr
                                    schlimmer kommen, dachte sie. Doch es sollte noch viel
                                    schlimmer für Walery werden.
 
 An diesen heißen Augusttag kam Udo in die Küche gelaufen
                                    und schrie "Leute kommt nach draußen, dort gibt es
                                    etwas Endgeiles zu sehen." Als alles nach draußen
                                    rannte, folgte Walery. Sie hatte das dumpfe Gefühl, das
                                    dieses Endgeile etwas mit ihr zu tun hatte. Dieses Gefühl
                                    verstärkte sich, als das Gelächter begann. Walery wollte
                                    nicht wissen, warum sie so gemein lachten, aber trotzdem
                                    folgte sie ihnen nach draußen. Alles glotzte sie an und
                                    dann sah sie es. Dieses gräßliche Foto, zu dem sie Udo
                                    gezwungen hatte, hing jetzt als riesiges Plakat vom Dach
                                    des Versicherungsgebäudes hinunter. Walery wäre am liebsten
                                    im Erdboden versunken. Wer konnte dieses unglaublich riesige
                                    Plakat schon übersehen? Die ganze Stadt konnte sie sehen,
                                    wie sie in Unterwäsche mit diesen Schild dastand "Polnischer
                                    Speckbraten im Angebot" Würde das man jemals vergessen?
                                    Nein. Würde sie es jemals vergessen? Bestimmt nicht. Walery
                                    rannte weinend davon. Niemand außer Silke folgte ihr.
 
 Am nächsten Tag fand Dominika Halastra den Abschiedsbrief
                                    von ihrer Tochter "Liebe Mama!  Sei mir nicht böse,
                                    aber ich kann nicht mehr. Wenn Du diesen Brief liest, werde
                                    ich diesen Alptraum überwunden haben. Du bist die beste
                                    Mutter, die man haben kann aber selbst Du kannst mit nicht
                                    helfen... Ich wollte Polen nie verlassen, aber ich wollte
                                    auch nicht von Dir getrennt sein.... Ich habe hier keine
                                    Freunde sondern nur Peiniger, die mich bloßstellen. Ich
                                    bin bis auf die Knochen blamiert. Wir werden uns wiedersehen!"
                                    Dominika Halastra sollte ihre Tochter das letzte Mal sehen,
                                    als sie vom Dach des Versicherungsgebäudes sprang. Danach
                                    sprach sie eine ganze Woche lang nicht. Vor der Polizei
                                    sagte sie aus, sie hätte genau gesehen, daß Udo Ranner
                                    ihre Tochter vom Dach gestoßen hätte. Von Walerys Selbstmord
                                    wollte sie niemals reden. Marius Kostakis unterstützte
                                    ihre Aussage.
 
 Udo wußte, daß er Walery nicht vom Dach gestoßen hatte.
                                    Wahrscheinlich hatte die blöde Kuh bloß das Gleichgewicht
                                    verloren. Walerys Tod hätte manchen ja zum Nachdenken gebracht,
                                    nicht aber Udo. Die Untersuchungshaft hatte ihn nicht gerade
                                    menschlicher werden lassen und wenn er Mitleid hatte, dann
                                    höchstens nur mit sich selbst. Bei seinem Prozeß sollte
                                    er sich von seiner besonders widerlichen Seite zeigen,
                                    zum großen Kummer seines Rechtsanwaltes, der ihn vergebens
                                    mit beschwörenden Blicken ansah. Sein bester Kumpel Andreas
                                    ließ ihn mit seiner geplatzten Falschaussage sogar noch
                                    ein Stückchen schlechter aussehen. Als Dominika schließlich
                                    doch den Abschiedsbrief nach vorne reichte und der laut
                                    vorgelesen wurde, sagte er für einen Moment nichts, was
                                    für ihn schon eine große Leistung war. Schließlich wollte
                                    er dann doch bloß wissen, ob endlich alles vorbei wäre.
                                    Es war noch nicht vorbei, denn auf ihn und seinen Kumpel
                                    Andreas wartete ein weiteres Verfahren, was ihn schließlich
                                    doch beschäftigen sollte.
 
 
 cocosgirl
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